Verriss der Biografie einer Politikerin

Es hat Seltenheitswert, dass eine Buchveröffentlichung „verrissen“ wird, aber im Fall der Biografie der ehemaligen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht scheint es angebracht zu sein. In der WELT ist vor wenigen Tagen „Christine Lambrecht hat ein Buch geschrieben – es offenbart, warum sie gescheitert ist“ veröffentlicht worden. Florian Sädler, der Buchkritiker, geht dabei hart mit der Autorin ins Gericht.

Kurzer Rückblick auf die Amtszeit

Wer sich erinnert, dem ist bewusst, dass Frau Lambrecht in ihrem Amt keine glückliche Figur abgab. Aber damals in der Ampel-Koalition wurden die Ministerposten weniger nach Eignung oder Hintergrundwissen und mehr nach Quote vergeben. Das führte dazu, dass (wie schon bei Ursula von der Leyen) eine Frau zur Verteidigungsministerin gemacht wurde, die von militärischen Fragen gar keine Ahnung hatte. Für die Bundeswehr muss es auch ziemlich fragwürdig gewirkt haben, wie sie in Stöckelschuhen aus einem Flieger kam und dabei von zwei Herren gestützt worden ist – das Schuhwerk war nicht sehr passend für diesen Auftritt gewählt.

Wie der Buchkritiker schreibt, erzählt Christine Lambrecht in ihrer Biografie (die übrigens unter dem Titel „Auf Stöckelschuhen durch Absurdistan“ im Selbstverlag erschienen ist) in erster Linie über zwei Begebenheiten während ihrer Amtszeit:

Erstens über ihre Blamage, als sie nach Beginn des Einmarsches von Russland in die Ukraine dem überfallenen Land ganze 5.000 Helme zur Verfügung stellen wollte.

Und zweitens, als sie bei einem Flug mit einem Bundeswehr-Helikopter ihren Sohn mitnahm und dieser stolz ein Foto von sich auf Social-Media-Kanälen veröffentlichte.

Der Ärger für Frau Lambrecht wurde so groß, dass sie die Flinte ins Korn warf und von ihrem Amt zurücktrat.

Wie die Ereignisse verarbeitet worden sind

In ihrem biografischen Stück versucht sie sich nun an einer Rechtfertigung. Zu den 5.000 Helmen schreibt sie (so der Buchkritiker): „Aus heutiger Sicht“ habe sie „die Wirkung meiner Ankündigung und die dabei gewählte Formulierung falsch eingeschätzt“, gibt Lambrecht heute zu. Und zu dem Flug mit ihrem Sohn im Bundeswehr-Helikopter schreibt sie (zitiert nach dem WELT-Artikel): Bei ihrer Reiseroutenplanung habe sie „zweifellos das nötige Fingerspitzengefühl vermissen lassen“, schreibt Lambrecht über diesen Vorfall – es sei, nicht rechtlich, aber politisch, „ein Fehler“ gewesen.

Zu diesen beiden Gelegenheiten versucht sie jetzt, sich und ihr Handeln zu rechtfertigen, nachdem sie öffentlich so schlecht davongekommen ist. Weil das allein aber noch keinen Buchumfang ergeben würde, scheint sie das Buch künstlich aufgebläht zu haben: Einerseits gibt es einige längere autobiografischen Passagen (die aber offensichtlich nicht wirklich spannend oder erhellend sind), andererseits sind in dem Buch noch Ereignisse zur Weltgeschichte in einer Art und Weise beschrieben, dass man ebenso in einem Lexikon nachschlagen könnte. Das Buch besteht inhaltlich also aus drei Teilen, nämlich autobiografisches Erleben plus weltgeschichtliche Ereignisse und am Ende eine Rechtfertigung zu den Vorfällen, warum sie in ihrem Ministeramt alles andere als hilfreich für die Bundeswehr war.

Selbstverlag und ohne Lektor – dafür viele handwerkliche Fehler

Wie Florian Sädler schreibt, habe es für diese banalen Rechtfertigungen kein solches Werk gebraucht. Mit 133 Seiten ist das Buch auch deshalb so umfangreich geworden, weil Absätze oft nur zwei oder drei Zeilen lang sind und zwischen den Absätzen sehr viel Leerraum ist. Zudem ist das Werk auch künstlich aufgebläht worden, weil sie

immer wieder im Wikipedia-Stil historische Ereignisse referiert: von den einzelnen Eskalationsstufen der CDU-Spendenaffäre über den chronologischen Ablauf der Terroranschläge vom 11. September 2001 bis hin zur Genese einer von der Staatsanwaltschaft Osnabrück veranlassten Durchsuchung des Bundesjustizministeriums im Jahr 2021. Zwar schafft man es deshalb in wenigen Stunden durch das Buch – wirklich schlauer wird man durch die Lektüre aber nicht.

Der Buchkritiker bemängelt zudem, dass es „keinen kohärenten Erzählstrang gibt“ – scheinbar springt Frau Lambrecht „von einem kleinteiligen Thema zum nächsten, vor, zurück und wieder vorwärts“. Und was ihr besonders angekreidet wird:

Das Fehlen einer Chronologie kündigt sie sogar im Vorwort an – es wirkt wie eine Ausrede dafür, sich nicht um eine leserfreundliche Struktur bemüht zu haben.

Hier zeigt sich deutlich, wie wichtig es für den Leser ist, eine saubere Struktur oder Gliederung zu bekommen oder zumindest inhaltlich sinnvolle Übergänge zwischen den einzelnen Episoden. Ein weiterer Kritikpunkt ist die billige Aufmachung: Das Papier ist so dünn, dass Markierungen mit einem Leuchtstift die andere Blattseite ebenfalls markieren. Das Seiten-Layout ist völlig unprofessionell, der Text ragt zu weit in den Bund hinein, so dass man die Seiten aufbiegen muss, um den ganzen Text zu sehen. Und ein mindestens ebenso peinlicher Lapsus ist die Titelseite: Hier ist die Schrift so nah am Rand platziert, dass die ersten Buchstaben beim Öffnen des Buches umgeknickt werden. Sowohl inhaltlich (kein Lektor) als auch in der Gestaltung (kein Layouter) sieht das Buch absolut billig produziert aus – und dennoch will Frau Lambrecht dafür 19,15 EUR haben.

Der Buchkritiker fragt daher zu Recht:

Wenn ihr die Botschaft so wichtig ist, warum hat Lambrecht sie dann derart durch Nebenthemen und Nachtreten verwässert und das Ganze in der billig-möglichsten Produktqualität hingeklatscht? Vermutlich, weil einerseits kein Verlags-Lektorat das Buch in dieser inhaltlichen Ausgefranstheit durchgewinkt hätte – andererseits ohne die vielen biografisch-historischen Exkurse aber kein Text in Buchlänge übrig geblieben wäre.

So wirkt das gesamte Projekt – vom Timing über den Inhalt bis zur Produktqualität – wie eine Erinnerung an die Muster, die sie als Verteidigungsministerin verunmöglicht haben: ein zielsicheres Stapfen in vermeidbare Fettnäpfchen, die in ihrer Häufung irgendwann eine destruktive Eigendynamik entfalteten.

Kurz und gut: Die Autobiografie von Christine Lambrecht ist ein mahnendes Beispiel dafür, die eigene Biografie zumindest gegenlesen zu lassen und sich auch beim Layout professionell unterstützen zu lassen. So wie diese Autobiografie ist, im Selbstverlag ganz ohne professionelle Unterstützung veröffentlicht, scheint das Buch sein Geld jedenfalls nicht wert zu sein.

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